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Wissen, um zu handeln - Tagung zur Gewalt an Kindern

Tagung von Kinder und Jugendanwaltschaft und Diözese. Hilfestellung für Erzieher zum Umgang mit Fällen von Gewalt und Vernachlässigung. Die Stellungnahmen von Bischof Muser, Jugendanwältin Ladstätter, Staatsanwältin Fava und Richterin Platzer.

Jugendanwältin Ladstätter eröffnet die Tagung

Erzieherinnen und Erzieher in Schulen, Heimen, kirchlichen Einrichtungen, Jugendzentren und anderen Orten, in denen Jugendliche sich treffen, sind manchmal mit Kindern in schwierigen Situationen - darunter auch Fällen von Gewalt – konfrontiert, mit denen sie schwer umgehen können, weil sie nicht genau wissen, ab wann sie einschreiten und welche Behörden sie informieren müssen. Eine Antwort darauf wollen die Kinder- und Jugendanwaltschaft und die Diözese Bozen-Brixen mit der heutigen Tagung „Wissen, um zu handeln“ im Bozner Pastoralzentrum geben.

„Wer mit Jugendlichen arbeitet, sollte Zeichen von Vernachlässigung, von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt erkennen können“, erklärte Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter den rund 150 Teilnehmern der Tagung, „vor allem aber sollte man wissen, welche Schritte zu unternehmen sind.“ Gottfried Ugolini, Diözesaner Beauftragter für Prävention von sexuellem Missbrauch und Gewalt, diagnostizierte in seiner Grußbotschaft an die Tagung (er selbst war krankheitsbedingt verhindert) ein Umdenken in den letzten Jahren, „vom blinden Vertrauen in die kirchliche Einrichtung hin zu einem offenen, wachen und verantwortungsvollen Vertrauen“ und lobte auch die gute Zusammenarbeit zwischen Diözese und Jugendanwaltschaft.

„Die Macht des Schweigens wurde gebrochen, Leidtragende haben endlich Gehör gefunden, entsprechende Maßnahmen für die Betroffenen und deren Umfeld wurden ergriffen“, erklärte Bischof Ivo Muser. Es sei „ein schmerzlicher, aber guter Prozess auch für die Kirche“ gewesen.

Antonella Fava, Staatsanwältin beim Jugendgericht Bozen, erläuterte, wann eine Meldung ratsam und wann sie Pflicht ist und sprach von insgesamt 1.400 gemeldeten Fällen im Jahr 2014. Die meisten davon beträfen Missbehagen und Vernachlässigung. Fava betonte, dass eine Meldung nicht automatisch den Kindesentzug für die betroffene Familie bedeute: Bevor es dazu komme, sei es ein weiter Weg, bei dem es zunächst einmal darum gehe, der Familie zu helfen und die Bedürfnisse des Kindes zu berücksichtigen. Nur 20-25 Prozent der Fälle landeten vor dem Richter. Die Erzieher sollten sich weniger darum sorgen, Beweise zu sammeln, darum kümmere sich die Staatsanwaltschaft. Wenn es um Vernachlässigung gehe, sei das direkte Gespräch mit der Familie sinnvoll. Gehe es aber um Missbrauch und Gewalt, so sollte man sich gleich an die zuständige Behörde wenden.

Wie ein Verfahren vor dem Jugendgericht abläuft, darüber informierte Brunhilde Platzer, die Präsidentin des Bozner Jugendgerichts. 90 Prozent der Fälle würden von der Staatsanwaltschaft vorgebracht, andere von Eltern oder Verwandten. Auf die Meldung folgten die Ermittlungen, auch mit Anhörung der betroffenen Jugendlichen, dies allerdings in geschützter Umgebung. In weniger schwerwiegenden Fällen erlege das Gericht den Eltern bestimmte Pflichten auf, etwa die Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten oder eine Familientherapie. Bei schweren Fällen komme es auch zum Annäherungsverbot, zur Entfernung der gewalttätigen Person aus der gemeinsamen Wohnung bis zur Unterbringung des Minderjährigen in einer geschützten Einrichtung. „Es geht hier nicht um Willkür“, betonte Platzer, „sondern um überlegte Entscheidungen, die erst nach einer langwierigen Prozedur gefällt werden, und nur dann, wenn die anderen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Wohlergehen des Kindes zu gewährleisten. 2014 waren das 267 von 3.864 Fällen.“

Die Tagung wurde am Nachmittag fortgesetzt mit Workshops zu spezifischen Themen: Erkennen der Zeichen von Gewalt an Kindern, Umgehen mit dem Schweigen der Kinder, Maßnahmen, die in Fällen von Gewalt und Vernachlässigung zu ergreifen sind u.a.

AM

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